Plastikmüll in den Ozeanen: Schwimmende Müllschlucker sind keine Lösung

Plastikmüll in den Ozeanen: Schwimmende Müllschlucker sind keine Lösung

Der Deckel eines To Go-Bechers mit chinesischer Aufschrift, gefunden vor der Galápagos-Insel Sombrero Chino im Oktober 2019. Foto: Julia Hager

Laut einer Studie von Wissenschaftlern der Jacobs University in Bremen kann die Reinigung der Meere von Plastik nicht mit Technologien wie dem niederländischen Projekt The Ocean Cleanup erreicht werden. Die private Initiative zielt darauf ab, die Ozeane mit Hilfe von schwimmenden Barrieren zu säubern, die die Kunststoffabfälle einsammeln und an Land bringen sollen. Dieser Beitrag zur Säuberung der Meeresoberfläche ist jedoch sehr gering, wie eine kürzlich veröffentlichte wissenschaftliche Studie zeigt. «Technologien, wie sie das Projekt The Ocean Cleanup vorschlägt, werden uns nicht helfen, das Kunststoffproblem zu lösen», sagte Agostino Merico, Forscher am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen und Professor für Ökologische Modellierung an der Jacobs University Bremen.

«Wir müssen dringend überdenken, wie wir Plastik produzieren, verbrauchen und entsorgen und wie wir nachhaltige Alternativen fördern können», sagte der Co-Autor der kürzlich veröffentlichten Studie. Kunststoffabfälle stellen eine akute Bedrohung für das globale Meeresökosystem dar. Viele Meeresorganismen fressen oder schlucken Plastik, oft mit tödlichen Folgen. Wenn sich Kunststoffe zersetzen, setzen sie giftige und hormonell aktive Zusatzstoffe wie Weichmacher in die Meeresumwelt frei. Diese Stoffe werden dann von Organismen und schließlich auch vom Menschen aufgenommen. Die Autoren schätzen, dass derzeit 399.000 Tonnen Plastik die Meere verschmutzen, davon 69.000 Tonnen Mikroplastik. Dies entspricht dem Gewicht von etwa 4.000 Blauwalen, den größten Bewohnern der Ozeane, die durchschnittlich etwa 100 Tonnen wiegen. Die Studie schätzt, dass bis zum Jahr 2052 die Menge an Kunststoffen 860.000 Tonnen erreichen wird – das ist mehr als das Doppelte der heutigen Mengen.

Eine Reihe von privaten Initiativen haben sich zum Ziel gesetzt, die Ozeane von Plastik zu reinigen. Ocean Cleanup strebt zum Beispiel an, den Pacific Garbage Patch im Nordpazifik, den größten Müllstrudel in den Ozeanen, innerhalb von 20 Jahren zu säubern. Um dies zu erreichen, sollen 600 Meter lange schwimmende Barrieren verwendet werden, um den Kunststoff einzusammeln, der später recycelt oder an Land verbrannt werden soll.

Die Studie mit dem Titel  «Das langfristige Vermächtnis der Kunststoff-Massenproduktion» analysierte mit Hilfe mathematischer Modelle die Auswirkungen der Verwendung von 200 Müllsammelsystemen. In diesem Szenario würden sie 130 Jahre lang – von 2020 bis 2150 – ohne Ausfallzeiten Kunststoff sammeln, was in diesem Zeitraum zu einer Kunststoffreduktion von 44.900 Tonnen führen würde. Das sind etwas mehr als fünf Prozent der geschätzten globalen Gesamtmenge bis zum Ende dieses Zeitraums. «Angesichts der riesigen Mengen an Kunststoffabfällen, die kontinuierlich in die Ozeane gelangen, ist dies ein eher geringer Beitrag», so Dr. Sönke Hohn vom ZMT, einer der Autoren. Merico betonte jedoch, dass es sich um einen kleinen Beitrag handele: «Auch wenn Projekte wie ‘The Ocean Cleanup’ nicht so effektiv sind, wie viele von uns denken, sind sie dennoch bewundernswert und nützlich.»

Die Meeresbiologin Dr. Melanie Bergmann betrachtet derartige Projekte als wenig sinnvoll. Vielmehr muss der Eintrag von Plastik an der Quelle, nämlich an Land, gestoppt werden. Zudem fangen diese Sammelsysteme nicht nur Müll ein, sondern gleichzeitig auch die Tiere und Pflanzen, die in dieser Plastiksuppe leben. Davon betroffen sind beispielsweise Schnecken, kleine Quallen und Larven-/Jugendstadien zahlreicher anderer Tierarten. «Am Ende könnte das Einsammeln von Müll im Meer einen insgesamt größeren Schaden verursachen als Nutzen bringen», sagt Bergmann.

Eine große Sorge bereitet das Schicksal der Kunststoffabfälle, die gesammelt und an Land gebracht werden. Recycling ist schwierig, weil der Kunststoff sehr vielfältig ist und oft von Mikroorganismen überwuchert wird. Ihn zu sortieren, würde einen großen Aufwand erfordern. Lösungen wie Verbrennung oder Vergraben sind aus ökologischen Gründen nicht praktikabel. Vergraben könnte den Boden kontaminieren, Verbrennen setzt CO2 in die Atmosphäre frei.

«Indem sie den Eindruck erwecken, dass diese Technologien eine wirksame Lösung für das Plastikproblem in unseren Ozeanen sind, können sie eine Rechtfertigung für die weitere Verschmutzung der Umwelt liefern», befürchtet Merico. Barrieren in Flüssen, den Haupttransportmitteln für Abfälle, in Kombination mit Müllsammelsystemen sind eindeutig vielversprechender, aber sie sind wegen des Schiffsverkehrs nicht sehr praktikabel. «Es gibt nur eine Lösung: Wir müssen die Produktion von Kunststoffen einstellen und alternative, nachhaltigere Lösungen wie die Verwendung von biologisch abbaubaren Materialien fördern», betont Merico.

Neben dem Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung in Bremen und der Jacobs University waren Forscher des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin, der University of Exeter in England und der NGO «Making Oceans Plastic Free» an der Durchführung der Studie beteiligt. Sie wurde kürzlich in der Zeitschrift Science of the Total Environment veröffentlicht.

Quelle: Jacobs University

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